Im Wartezimmer des Himmels

Vom Fegfeuer und den „Armen Seelen“.

Wer einen lieben Menschen durch den Tod verloren hat, für den ist es nicht egal, was aus ihm geworden ist. Denn die Liebe geht über den Tod hinaus. Daher ist es ein großer Trost zu wissen, dass Gott uns nicht im Nichts versinken lässt, sondern uns ein Leben nach diesem irdischen Dasein zusagt. Wenn wir sterben, ist es also nur, als würden wir umziehen. Aber wohin?

Unser katholischer Glaube lehrt, dass es drei Möglichkeiten gibt:

1. Wir ziehen in den Himmel, die Heimstatt Gottes und seiner Erwählten ein, dem eigentlichen Ziel eines jeden Menschen.

2. Wir gelangen zunächst in das Fegefeuer, wo ein Läuterungsprozess den Verstorbenen von jedem Makel befreit und ihn so bereit und würdig macht für den Eintritt in den Himmel, oder

3. wir finden uns in der Hölle, dem Ort der ewigen Gottverlassenheit und -ferne wieder, den sich nur Menschen ohne jede Gottes- und Nächstenliebe erwirken.

Bei Gott kann nur wohnen, wer ohne Makel und Sünde ist. Deshalb können nur Heilige und Märtyrer unmittelbar nach ihrem Tod in den Himmel eingehen. Die meisten Menschen bedürfen einer „Reinigung“, um frei von Schuld und Sünde vor das Angesicht Gottes treten zu können. Gott schenkt diesen Menschen den Zustand der Reinigung, die Zeit im „Purgatorium“, der Läuterung, was wir gemeinhin als „Fegefeuer“ bezeichnen. Es ist ein schmerzhafter Vorgang, weil die Seele ihre Sünden und Fehler erkennt und vor Sehnsucht nach Makellosigkeit und dem „Bei-Gott-im-Himmel-Sein“ brennt. Es ist aber gleichzeitig auch Glückseligkeit, weil die Seele weiß, sie sitzt sozusagen im Wartezimmer des Himmels und bald wird ein Engel die Tür aufmachen und sie hereinrufen.

Der ehemalige Salzburger Weihbischof Andreas Laun hat dem Internetdienst kath.net dazu Grundlegendes gesagt:

„Das Fegefeuer wird heute belächelt oder totgeschwiegen. Zu Unrecht, denn das Fegefeuer ist eine ungemein tröstende Lehre. Papst Benedikt XVI. hat in seiner besonders lesenswerten Enzyklika über die Hoffnung (Spes salvi) folgendermaßen zum Verständnis des Fegefeuers (Nr. 46) hingeführt: ‚Aber weder das eine noch das andere ist nach unseren Erfahrungen der Normalfall menschlicher Existenz. Bei den Allermeisten – so dürfen wir annehmen – bleibt ein letztes und innerstes Offenstehen für die Wahrheit, für die Liebe, für Gott im Tiefsten ihres Wesens gegenwärtig. Aber es ist in den konkreten Lebensentscheidungen überdeckt von immer neuen Kompromissen mit dem Bösen – viel Schmutz verdeckt das Reine, nach dem doch der Durst geblieben ist und das doch auch immer wieder über allem Niedrigen hervortritt und in der Seele gegenwärtig bleibt.‘ Wer kann sich in dieser Beschreibung nicht selbst wiederfinden? Papst Benedikt fährt fort: ‚Was geschieht mit solchen Menschen, wenn sie vor den Richter hintreten? Ist all das Unsaubere, das sie in ihrem Leben angehäuft haben, plötzlich gleichgültig? Oder was sonst?‘ Dann zeigt der Papst, wie Paulus das Bild vom reinigenden „Feuer“ eingeführt hat, das in unserer Sprache zum „Fegefeuer“ wurde und eigentlich sehr treffend das Gemeinte beschreibt, auch wenn das nicht für manche Fantasieprodukte und künstlerischen Darstellungen gilt. Der Papst greift das Bild auf: Der Text zeigt, ‚dass der zu Rettende selbst durch Feuer hindurchgehen muss, um endgültig gottfähig zu werden, Platz nehmen zu können am Tisch des ewigen Hochzeitsmahls‘. Man kann wirklich nur sagen: Gott sei Dank! Die „Arme Seele“ ist arm, weil sie noch „durch das Feuer muss“, und darum sollten wir für sie beten. Aber sie ist schon gerettet und darum auch schon glücklich! Alles in allem eine wirklich gute, befreiende Botschaft! Einem Burschen, der mich nach dem Fegefeuer befragte, erklärte ich es, er folgte aufmerksam und fasste das Gemeinte auf seine Weise eigentlich treffend zusammen: ‚Jetzt verstehe ich, du willst sagen: ein solcher Mensch ist noch in der Warteschleife!‘“

Das Fegefeuer ist tatsächlich die Warteschleife zum ewigen Glück, das Wartezimmer des Himmels. Und für jeden, der sich dort befindet, öffnet sich früher oder später die Tür zur himmlischen Seligkeit. In der Geschichte des Christentums bezeugen zahllose große Mystiker, Begnadete und Heilige (wie Pater Pio, Gertrud von Helfta, Anna Katharina Emmerich, Augustinus, Schwester Faustyna Kowalska...) glaubhaft und oft bewegend Erlebnisse und Begegnungen mit „Armen Seelen“. Aber auch einfache Menschen erfuhren den Anruf „Armer Seelen“, wie das Beispiel der 2004 verstorbenen Vorarlbergerin Maria Simma belegt, die mit Berichten von „Erlebnissen mit Armen Seelen“ weit über Österreich hinaus bekannt geworden ist.


Aus: PUR-spezial 4-2019, Foto: dpa